Leben im besetzten Westjordanland
Während meines Zwischenseminars in Nes Ammim haben wir uns mit Yousef getroffen, einem arabischen Israeli. Er ist Hochschullehrer und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Politik in Israel und Palästina. Einige seiner Argumente konnte ich mitschreiben und werde sie hier wiedergeben.
Yousef selbst kommt aus dem Norden des heutigen Israels, wobei jedoch ein Großteil seiner Familie bei der sogenannten Nakba (arabisch für Katastrophe) 1948 vertrieben worden sei. Daher habe man auch ihm selbst mehrfach nahegelegt, das Land zu verlassen und in arabische Nachbarstaaten auszuwandern. Sich selbst beschreibt er betont zu aller erst als Mensch, als human being, und erst anschließend als Araber und Israeli. Diese beiden oft gegensätzlich gebrauchten Identitäten versucht er damit zu verbinden. So habe es auch vor einigen Jahren eine Israelisierung gegeben: Die arabische Minderheit in Israel habe sich versucht, im Lebensstil und den Werten der jüdischen Mehrheit anzupassen. Dies sei jedoch durch das Nationalitätsgesetz von 2018 rückgängig gemacht worden, was sich deutlich auf den jüdischen Charakter Israels fokussiere. Daher würden die Araber diskriminiert und von der Teilhabe an der Gesellschaft institutionell ausgeschlossen. Seitdem habe eine stärkere Konzentration auf die Identität als Palästinenser bei der arabischen Minderheit eingesetzt. Politisch sieht er den Konflikt in seinem Heimatland als Kampf um das Land, was er als unmittelbar als Kampf ums Überleben beschreibt. Obwohl er persönlich die Situation nicht dramatisiere, sei die Basis des Problems ganz einfach, dass den Arabern ihr Zuhause geklaut werde und insgesamt auch ihre Identität. Trotzdessen seien sie Teil des Systems und der Ökonomie und hielten die Gesellschaft am Laufen. Wenn also die arabische Minderheit etwas für sich zum Besseren verändern möchte, müsse sie auch Teil des politischen Spiels werden. So habe es bereits Verbesserungen für ihre Situation durch eine arabische Beteiligung an der letzten Regierung gegeben. Da aber viele nicht wählen gehen würden, ergatterten ihre Abgeordneten anstatt 24 der möglichen Sitze lediglich 13. Die Formel "we agree not to agree", die die arabische Haltung bestimmt habe, halte er für gefährlich, da sie Spaltungen nur zementiere. Hingegen müssten eben die vielen politischen Strömungen gemeinsam an der Vertretung der Araber arbeiten. Für eine friedliche Lösung des Konflikts sieht Yousef die ökonomische, soziale und rechtliche Gleichstellung als Vorbedingung. Man könne nicht mit Menschen um politische Fragen gerecht und zielführend verhandeln, wenn diese gar nicht ihre existenziellen Bedürfnisse decken könnten. Als weitere Hindernisse sieht er dabei, dass die anderen arabischen Länder keinen palästinensischen Staaten wirklich wollten. Hinzu komme eine Einstellung, die Yousef mit dem eindringlichen Ausruf kommentiert: Dont ever present yourself as a victim! Wenn man schlau sei, gebe man anderen nicht die Macht, einen zu erniedrigen. Als große Gefahr sieht er zudem die Entwicklungen in Israel das Rechtssystem betreffend. Da es keine Verfassung gebe, auf die man verpflichtet sei, würde durch die Reformen der Spielraum für einschneidende Vorhaben der politischen Rechte geöffnet. Als mögliches Ziel der Regierungspläne sieht er eine Annektierung des Westjordanlandes.
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May 2023
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