Leben im besetzten Westjordanland
Die Altstadt von Hebron umgibt eine geisterhafte Atmosphäre. Aus den belebten und dicht besiedelten Straßen betritt man einsame Gassen mit zugeschweißten Läden und engmaschigen Gittern über den Köpfen. Unter ihnen spielt sich reduziertes Markttreiben der lokalen Palästinenser ab; über ihnen leben jüdische Siedler in Mitten der Altstadt, geschützt von schwer bewaffneten Soldaten. Auf dem Weg zum Grab von Abraham hält uns ein arabischer Straßenverkäufer an. Er erzählt uns von den Konflikten mit den Siedlern, mit ihnen sei kein Frieden zu machen. Sein Haus sei von drei Seiten von ihren Häusern und dem Militär umgeben. So zeigt er uns auch ein Video, wie israelische Soldaten seine beiden kleinen Töchter verhaften.
Wir gehen weiter, zum Checkpoint vor der Ibrahim-Moschee. Die Soldaten sind auffällig nett zu uns als Touristen, wünschen uns einen schönen Tag. Die einheimischen Muslime wiederum werden harsch kontrolliert. Da es Shabbat ist, können wir leider nicht in den Bereich der Siedler, um uns einen näheren Überblick zu verschaffen. Dafür kommen die Siedler zu uns - eher gesagt direkt durch die Altstadt. Als wir vor einem Souvenir-Shop stehen und arabischen Kaffee genüsslich schlürfen, tauchen schwer bewaffnete israelische Soldaten auf. Mit den Maschinengewehren im Anschlag halten sie eine Gasse auf dem Platz frei und drängen die umstehenden jungen Palästinenser an den Rand. Auf sie folgt eine Gruppe jüdischer Siedler, vielleicht 30 an der Zahl. Und mindestens genauso viele Soldaten. Nun stehen wir direkt neben den Soldaten, zwischen den getrennten Gruppen. Die arabischen Kinder sind die Situation gewohnt, sie gehen erschreckend locker mit der Anwesenheit von Schusswaffen um. Lieder singend provozieren sie die Siedler, zeigen Mittelfinger und beleidigen. Die Siedler wiederum filmen, wollen auf die Araber zugehen und beleidigen mindestens so lautstark. Doch die nervös um sich blickenden Soldaten sind da, sie sind nicht viel älter als ich selbst. Die gesamte Szenerie wirkt maximal absurd auf mich. Nach einigen Sekunden verschwinden die Soldaten mit den Siedlern hinter Schutzmauern und Checkpoints genauso plötzlich, wie sie gekommen sind. Doch mein bleibender Eindruck ist keiner der gegenseitigen Missgunst und des Hasses. Ich denke eher daran, dass diese Menschen doch in gegenseitiger Achtung am selben Ort zusammen leben könnten. Fast schon denke ich mir die Soldaten aus der Situation weg.
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May 2023
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